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Und das hier ist UNSERE, die wahre Bärengeschichte

Obwohl sie so unwahrscheinlich klingt, sie hat sich genauso zugetragen. Leben müssen wir damit, daß sie niemand glaubt.

Berichtet hatte ich als Letztes davon, daß ich mich intensiv der einheimischen Fauna gewidmet hatte, weil die Tage lang wurden und ein wenig Abwechslung not tat. Abgefunden hatten wir uns damit, daß an dem verbleibenden Wochenende nichs Aufregendes mehr passieren würde.

Doch wenn man mit nichts rechnet, passiert's. Etwas so Unglaubliches, daß wir diesen Aufenthalt in Kent nie vergessen werden. Am vorletzten Tag unserer vier Wochen geriet unser inneres Gleichgewicht und unsere äußere Sicherheit ein wenig ins Wanken.

Der aufmerksame Leser meiner Reisereports mag sich erinnern, daß wir 2015 in Alaska und Montana diversen frei lebenden Bewohnern begegnet waren. Meist vom Auto aus und aus sicherer Entfernung konnten wir diese Begegnungen dokumentieren. Am 21. Mai 2017 aber war alles anders.

Nach der sibirischen Kälte der ersten dreieinhalb Wochen stieg das Thermometer ohne Vorwarnung auf knapp 40°C mit vor Hitze flirrender Luft. Die Sonnenliegen harrten schon seit knapp vier Wochen darauf, belegt zu werden. Dort, unter den riesigen alten, schattenspendenden Ahornen, die den Garten (der mit seinen fast vier Hektar eher ein Park ist) dominieren, erhoffte sich Moni am vorletzten Tag noch ein wenig Sonnenbräune. Den iPod-Stöpsel im Ohr war sie in Morpheus Arme gesunken.

So weit, so friedlich, so undramatisch. Doch dann wechselte die friedvolle Situation schlagartig zu einer konkreten Bedrohung.


Um diese in ihrer Tragweite erkenn- und nachvollziehbar zu machen, muß ich ein wenig ausholen.

Auf dem folgenden Foto sieht man den hausnahen Teil des Grundstücks, der durch einen nur der Optik dienenden Zaun zum Rest des Geländes abgegrenzt wird. Hinter dem Zaun erstreckt sich das Grundstück noch ca. 150 Meter bis zu einer Erschließungsstraße, an der die nächste Behausung liegt. Rechts im Bild ist eine Ecke von Sabines Wohnhaus zu sehen:



Die nächsten Fotos zeigen einen ausgewachsenen, hungrigen Schwarzbären an der Porch des Hauses, der im Frühsommer des Vorjahres aus fast derselben Position aufgenommen wurde wie das obige Bild.

Diese Bären, deren Habitat die im Hintergrund sichtbaren Laubwälder sind, treibt es je nach Versorgungslage hinunter in die schwach besiedelten Außenbezirke des Kleinstädtchens Kent. Die Anwesen stehen in weiten Abständen zueinander, Autoverkehr ist so gut wie keiner vorhanden.

Keiner der Anwohner ist - da solide Neuengländer und damit Wähler der Democratic Party - Mitglied der National Rifle Association. Die Bären haben also wenig zu befürchten. Deshalb trauen sie sich in die Vor- und Hintergärten auf der Suche nach Leckerli in Mülltonnen und Futter in den Vogelhäuschen.





Wenn sie im Sommer ihre Wälder zu kurzen Streifzügen hauptsächlich wegen der Naschereien verlassen, so treibt es sie im Winter aus Hunger in die Ebene. Dann sind die Bären auf Beute aus, zeigen keine Scheu vor Menschen und deren Behausungen und sind gefährlich. Das nachfolgende Video zeigt einen hungrigen Schwarzbären, der im Winter 2015/2016 auf der Suche nach Beute Sabines Garten durchstreift.


Bitte ein wenig Geduld, das Video öffnet sich nach einigen Sekunden.

Zur Verdeutlichung der Topographie füge ich hier zwei Bilder ein: Auf dem linken verdeutlicht die weiße Linie den Weg, den der Bär eingeschlagen hat. Das Gebäude rechts bildet die Südostecke des Anwesens: Der Bär kam durch den Zaun, der den unbearbeiteten Teil des Grundstücks vom hausnahen Garten trennt und bewegte sich nach rechts hinters Haus.

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Das rechte Bild zeigt den Garten aus einem anderen Blickwinkel mit dem Zaun im Rücken und mit Blick auf das Haus.(Die gelbe Markierung im linken Bild zeigt den Standort des Liegestuhls.)

Vielleicht gehörte es zu einem geheimnisvollen Plan, weshalb Sabine uns Bärenbilder und -video vorenthalten hatte. Jedenfalls paßte dieses Verschweigen zu den Gesprächen mit den Nachbarn, in denen immer wieder die Rede davon war, ob man Bären gesehen habe oder ob diese Spuren hinterlassen hätten, die auf ein Herumstreunen deuten würden. Diese Unterhaltungen waren jedoch so skurril ("Haben Sie neulich Besuch vom Bären gehabt?", "Hat bei Ihnen auch wieder ein Bär in den Garten gekackt?" oder "Ich muß schon wieder neue Vogelhäuschen kaufen. Der Bär hat sie alle zerdeppert!"), daß wir sie als Schauergeschichten abtaten, die nach einem nur den Einheimischen bekannten Code abliefen, um Besucher zu erschrecken, zumindest aber trefflich zu unterhalten: Bären, boah!

Uns so kam es, daß Moni ihren Liegestuhl, ahnungslos wie sie zu diesem Zeitpunkt noch war, auf dem "Wildwechsel" des Bären aufgestellt hatte.


21. Mai 2017; 12:17 Uhr
Im Arbeitszimmer, das sich hinter der abgebildeten Hausecke rechts befindet, versuchten Sabine und ich ein PC-Problem zu lösen, als mich im Augenwinkel eine Bewegung irritiert. Ein ausgewachsener Schwarzbär trottet gemächlich am Haus vorbei … Richtung Liegestuhl mit Moni drauf.

Ich weiß nicht, wie ich das geschafft habe. Ich bin vom Arbeitszimmer, durch Wohnzimmer, Küche und Diele und raus auf die Porch schneller als der Bär vom Fenster zur Hausecke! Und brülle - um Moni aufmerksam zu machen und den Bären zu irritieren - was die Lungenflügel hergeben "MONI - BÄR".

Doch Moni rührt sich nicht. Und wieder und wieder schreie ich, nunmehr mit Sabines Unterstützung: "MONI - BÄR". Endlich macht sie die Augen auf und deutet mit einer Geste "Ich verstehe doch nichts" auf ihre Ohrstöpsel. Heftig mit den Armen fuchtelnd schreien wir "MONI - BÄR". Und dann sieht sie ihn auch. An der Hausecke ist er stehengeblieben, weil ihn das Getöse tatsächlich irritiert hat.

Das gibt Moni die erforderliche Zeit, ihre Beine unter die Arme zu packen und zur Porch zu sprinten. Mit schreckgeweiteten Augen und ein wenig zitternd sagt sie nur - völlig irrational: "Da ist ein Bär."

Dieser, mittlerweile aufgrund der von uns produzierten Unruhe sichtlich beeindruckt, bewegt sich nun im Schnellschritt Richtung Zaun, während ich ins Haus nach der Kamera sprinte.

Doch der Bär war diesmal zu schnell für mich. Mein Hinter-Herhetzen - war ich eigentlich verrückt geworden? - reichte nicht, um ein gescheites Foto zu schießen. Er war einfach zu schnell. Immerhin hat ihn der Zoom noch auf der Flucht Richtung Nachbarhaus erwischt.



Da wir am Folgetag zurück nach Hause flogen, stellte sich die Frage nach weiterem Sonnenbaden nicht mehr. Dabei fällt mir ein: Haribo produziert ab 2020 seine Goldbären auch in den USA.

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